Ergotherapie für autistische Kinder im Vorschul- und Grundschulalter
Ergotherapie für Autisten, ein Ratgeber. Als Eltern eines Kindes im Autismus-Spektrum stehen Sie vielleicht vor vielen Fragen und Unsicherheiten. Möglicherweise haben Sie erste Besonderheiten bemerkt – etwa dass Ihr Kind wenig Blickkontakt aufnimmt, Berührungen meidet, immer auf die gleiche Weise spielt oder sich mit Veränderungen schwer tut. Vielleicht haben Sie bereits eine Autismus-Diagnose für Ihr Kind erhalten oder sind noch dabei, mehr über dessen Entwicklungsbesonderheiten herauszufinden. In jedem Fall wünschen Sie sich, Ihr Kind bestmöglich zu fördern und ihm den Alltag zu erleichtern. Genau hier setzt die Ergotherapie an: Sie kann autistischen Kindern helfen, wichtige Fähigkeiten für ein selbstständiges und erfülltes Leben aufzubauen.
In diesem Artikel erhalten Sie einen umfassenden Überblick darüber, was Ergotherapie ist und warum sie speziell für autistische Kinder im Vorschul- und Grundschulalter so wertvoll sein kann. Wir erklären, welche Ziele in der Therapie verfolgt werden, wie eine typische Behandlung abläuft und welche Methoden zum Einsatz kommen (wie z. B. sensorische Integration oder alltagsorientiertes Training). Zudem erfahren Sie, welche Fähigkeiten durch Ergotherapie gefördert werden – von der Feinmotorik über das Sozialverhalten bis zur Emotionsregulation – und welche Besonderheiten Therapeut*innen bei autistischen Kindern beachten. Wir zeigen Ihnen, wie Sie als Eltern eine Ergotherapie für Ihr Kind beantragen können, wie die ersten Schritte aussehen und welche Rolle Sie selbst im Therapieprozess spielen. Außerdem geben wir praktische Tipps, was Sie im Alltag ergänzend tun können, um Ihr Kind zu unterstützen. Abschließend beleuchten wir, wie sich Fortschritte zeigen, was realistische Erwartungen sind und welche Herausforderungen auftreten können – und wie man am besten damit umgeht.
Unser Ziel ist es, Sie als Eltern einfühlsam abzuholen, Ihnen Sicherheit zu geben und Sie praktisch dabei zu unterstützen, die nächsten Schritte für Ihr Kind zu gehen.
Inhalt
Was ist Ergotherapie?
Definition und Ansatz: Ergotherapie ist eine anerkannte Therapieform, die Menschen jeden Alters dabei hilft, ihre Handlungsfähigkeit im Alltag zu verbessern. Das Wort „Ergo“ stammt vom griechischen „ergon“ und bedeutet „Tun“ oder „Handeln“. In der Ergotherapie steht daher das aktive Tun im Vordergrund: Durch gezielte Aktivitäten und Übungen werden körperliche, geistige und soziale Fähigkeiten gefördert. Ziel ist es, dass der Mensch möglichst selbstständig und zufrieden am alltäglichen Leben teilnehmen kann. Bei Kindern bedeutet das, ihnen zu helfen, wichtige Entwicklungsaufgaben zu meistern und Fähigkeiten zu erlernen, die sie für Alltagssituationen zu Hause, im Kindergarten oder in der Schule benötigen.
Ergotherapie bei Kindern: In der Pädiatrie (Kinder-Ergotherapie) arbeiten speziell ausgebildete Ergotherapeutinnen mit Kindern, die Entwicklungsverzögerungen, Behinderungen oder andere Schwierigkeiten haben. Das Spektrum reicht von motorischen Problemen (z. B. Ungeschicklichkeit, feinmotorische Schwächen) über Wahrnehmungsstörungen (z. B. extreme Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen oder Berührungen) bis hin zu sozialen und emotionalen Auffälligkeiten. Ergotherapeutinnen schauen immer ganzheitlich auf das Kind: Welche Aktivitäten fallen ihm schwer? In welchen Bereichen des Alltags braucht es Unterstützung? Durch spielerische Therapie wird das Kind angeregt zu lernen, auszuprobieren und Schritt für Schritt mehr Selbstständigkeit zu erlangen.
Therapeutische Beziehung und Umgebung: Ein wichtiger Aspekt der Ergotherapie ist die positive, vertrauensvolle Beziehung zwischen Kind und Therapeutin. Gerade Kinder mit Autismus benötigen oft etwas Zeit, um sich an neue Personen und Umgebungen zu gewöhnen. Ergotherapeutinnen gestalten die Therapieumgebung kindgerecht und reizarm genug, damit das Kind nicht überfordert wird. Gleichzeitig wird es eingeladen, interessante Spielsachen, Geräte oder Materialien zu erkunden. Durch Freude am Tun und kleine Erfolgserlebnisse wird die Motivation des Kindes geweckt – denn Lernen gelingt am besten, wenn es Spaß macht und sinnvoll ist.
Abgrenzung zu anderen Therapien: Ergotherapie überschneidet sich in manchen Bereichen mit Physiotherapie (die den Schwerpunkt eher auf grobmotorische Funktionen legt) und Logopädie (Schwerpunkt Sprache). Doch die Ergotherapie hat einen eigenen ganzheitlichen Ansatz, der Motorik, Wahrnehmung, Kognition und auch Sozial- und Alltagsfähigkeiten zusammendenkt. Oft arbeiten Ergotherapeutinnen auch mit anderen Fachleuten zusammen, zum Beispiel mit Logopädinnen, Physiotherapeutinnen, Psychologinnen oder Erzieher*innen, um das Kind ganzheitlich zu fördern.

Warum ist Ergotherapie besonders hilfreich für Kinder im Autismus-Spektrum?
Herausforderungen von autistischen Kindern: Autistische Kinder bringen besondere Stärken und Herausforderungen mit. Viele Kinder im Autismus-Spektrum haben Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und Kommunikation – zum Beispiel fällt es ihnen schwer, auf andere zuzugehen, Spielkontakte aufzubauen oder nonverbale Signale (Mimik, Gestik) zu verstehen. Häufig bestehen auch sensorische Besonderheiten: Manche Kinder reagieren extrem empfindlich auf Geräusche, Berührungen, Licht oder Gerüche; andere suchen ständig starke Reize (z. B. schaukeln, hüpfen, laute Geräusche machen), weil ihre Wahrnehmungsverarbeitung anders funktioniert. Veränderungen im gewohnten Ablauf können für sie sehr stressig sein, da sie auf Routine und Vorhersehbarkeit angewiesen sind. Auch in der Motorik zeigen sich bei vielen autistischen Kindern Auffälligkeiten – sei es eine Ungeschicklichkeit in der Feinmotorik (z. B. beim Malen, Schreiben, Knöpfe zumachen) oder in der Koordination und Grobmotorik (rennen, fangen, balancieren). Solche Besonderheiten können den Alltag für das Kind und die Familie erschweren: einfache Dinge wie sich anziehen, am Tisch mitessen, mit Gleichaltrigen spielen oder in den Kindergarten gehen, werden zur Herausforderung.
Wie Ergotherapie unterstützt: Hier kann Ergotherapie gezielt ansetzen. Die Therapeut*innen analysieren, wo genau die Hürden im Alltag liegen und welche Ursachen dahinterstecken könnten. Ist es die Feinmotorik, die das Anziehen schwierig macht? Oder eine Überempfindlichkeit, wegen der das Kind bestimmte Kleidung nicht erträgt? Versteht das Kind die Abfolge einer Handlung nicht, oder fehlt ihm einfach Übung? Je nach individueller Situation setzt die Ergotherapie dann an den passenden Stellen an. Bei autistischen Kindern heißt das oft:
- Wahrnehmung und Sinnesverarbeitung verbessern: Mit sensorischen Integrationsmethoden lernen Kinder, Reize besser zu verarbeiten. Das kann bedeuten, dass ein Kind allmählich lernt, laute Geräusche besser auszuhalten oder sich auf taktile Reize einzulassen, sodass zum Beispiel das Haare kämmen weniger unangenehm wird. Oder ein sehr passives Kind wird durch intensive Sinnesreize (etwa Schaukeln, Kneten von Knete, Spielen mit Sand oder Wasser) wacher und aufmerksamer für seine Umgebung.
- Routine und Struktur geben: Autistischen Kindern hilft es ungemein, wenn Abläufe klar und vorhersehbar sind. Ergotherapeut*innen nutzen gerne visuelle Hilfen (Bilder, Symbole) und klare Strukturen, um dem Kind Sicherheit zu geben. Zum Beispiel kann ein visueller Wochenplan oder ein Bildablauf für die einzelnen Schritte beim Zähneputzen dem Kind Orientierung bieten. Diese Methoden entstammen unter anderem dem TEACCH-Ansatz, der speziell für Menschen mit Autismus entwickelt wurde und den Alltag durch Strukturierung erleichtert. In der Therapie erleben die Kinder Struktur und Wiederholung, was ihnen erlaubt, in einer vertrauten Umgebung Neues zu lernen.
- Kommunikation und Interaktion erleichtern: Zwar ist Ergotherapie keine Sprachtherapie, aber Ergotherapeut*innen arbeiten dennoch daran, die Kommunikationsfähigkeiten zu unterstützen. Dies geschieht oft indirekt über das Spiel: Das Kind lernt etwa, mit der Therapeutin im Spiel abzuwechseln, gemeinsam ein Bauklotzturm-Projekt zu machen oder mittels Bildkarten auszudrücken, was es als nächstes spielen möchte. Solche Situationen fördern Blickkontakt, gemeinsames Aufmerksamkeitsfokussieren und das Verständnis einfacher sozialer Regeln (wie „Ich bin dran, dann bist du dran“). Auch Unterstützte Kommunikation kann Teil der Ergotherapie sein – zum Beispiel das Verwenden von Gebärden oder Symbolkarten, wenn das Kind wenig oder nicht spricht. So wird Frustration abgebaut, weil das Kind Möglichkeiten erhält, sich auszudrücken.
- Alltagskompetenzen und Selbstständigkeit entwickeln: Autistische Kinder lernen manches nicht so nebenbei wie andere Kinder. Was ein neurotypisches Kind vielleicht durch Imitation oder spontanes Probieren erwirbt, muss ein autistisches Kind gegebenenfalls systematischer üben. Ergotherapie hilft, alltägliche Fähigkeiten aktiv einzuüben – etwa das selbstständige Essen mit Löffel und Gabel, das Anziehen der Jacke, das Benutzen der Toilette, oder bei älteren Kindern das Organisieren des Schulranzens und das Befolgen von morgens-Abfahrtszeiten. Das Tempo und der Einstiegspunkt werden dabei individuell angepasst. Wenn nötig, wird die Handlung in kleine überschaubare Schritte zerlegt und mit dem Kind Schritt für Schritt geübt.
- Umgang mit Gefühlen und Verhalten: Viele herausfordernde Verhaltensweisen autistischer Kinder – Wutausbrüche, Zurückziehen, stereotype Bewegungen – stehen im Zusammenhang mit Überforderung, Stress oder Unverständnis der Umgebung. In der Ergotherapie wird daran gearbeitet, Alternativen aufzuzeigen. Ein Beispiel: Ein Kind, das sich bei Überreizung anfängt, selbst zu schlagen oder zu schreien, kann lernen, sich statt dessen eine Auszeit-Ecke zu suchen oder ein bestimmtes Spielzeug zur Beruhigung zu nutzen. Mit einfacheren Mitteln der Emotionsregulation (z. B. tief durchatmen, feste Druckmassagen an den Händen, einen Ball quetschen) kann das Kind allmählich besser mit Frust umgehen. Diese Strategien werden in der Therapie spielerisch eingebaut, zum Beispiel als Teil eines „Gefühls-Spiels“ (etwa Gesichtsausdruck-Bildkarten erkennen und dazu passende Handlungen üben, die bei Wut oder Angst helfen).
Zusammengefasst ist Ergotherapie für Kinder mit Autismus deshalb so hilfreich, weil sie ganz individuell auf die Bedürfnisse des Kindes eingeht und praktische Wege findet, mit den Besonderheiten des Autismus umzugehen. Es geht nicht darum, das Kind „zu ändern“ oder autistische Züge wegzutrainieren – Autismus ist keine Krankheit, die geheilt werden kann. Vielmehr soll das Kind unterstützt werden, mit seiner besonderen Art gut leben zu können: seine Fähigkeiten zu stärken, seine Schwierigkeiten zu mildern und seinen Alltag erfolgreicher und glücklicher zu bewältigen.
Welche Ziele werden in der Ergotherapie verfolgt?
In der Ergotherapie für autistische Kinder werden die Therapieziele immer auf das einzelne Kind und dessen Familie zugeschnitten. Jedes Kind ist anders, und auch Autismus zeigt sich bei jedem individuell. Dennoch gibt es einige übergeordnete Ziele, die häufig angestrebt werden:
- Selbstständigkeit im Alltag: Oberstes Ziel ist, dass das Kind möglichst viele Dinge des täglichen Lebens selbst ausführen kann. Dazu zählen grundlegende Selbstversorgungsfähigkeiten (Anziehen, Essen, Körperpflege), aber auch die Teilhabe an Familienaktivitäten (mithelfen beim Tischdecken, Aufräumen) und später schulische Fertigkeiten (einen Stift halten, Hausaufgaben mit Unterstützung strukturieren). Ein autistisches Kind soll durch die Ergotherapie Schritt für Schritt mehr Autonomie gewinnen und weniger auf ständige Hilfe angewiesen sein.
- Verbesserung der Fein- und Grobmotorik: Viele autistische Kinder haben einen Förderbedarf in der Motorik. Feinmotorische Ziele können sein: sicherer Umgang mit Stift, Schere und Besteck, Puzzeln, Bauen mit kleinen Bausteinen oder Knöpfe und Reißverschlüsse bedienen. Grobmotorisch könnte es darum gehen, sicher rennen, hüpfen oder klettern zu können, Fahrradfahren zu lernen oder die Körperkoordination und den Muskeltonus zu verbessern. Motorische Fortschritte erleichtern dem Kind viele Alltagsaktivitäten und steigern oft auch sein Selbstwertgefühl („Ich kann das jetzt!“).
- Wahrnehmung und sensorische Integration: Die Ergotherapie zielt darauf ab, die Sinneswahrnehmungen besser zu verarbeiten. Ein Ziel könnte zum Beispiel sein, dass ein Kind sich in lauteren Umgebungen (wie der Schulaula) besser zurechtfindet, oder dass es verschiedene Nahrungsmittel probieren kann, ohne von der Konsistenz oder dem Geschmack überfordert zu sein. Auch eine Verbesserung der Körperwahrnehmung (den eigenen Körper spüren, Bewegungen gezielter steuern) ist ein mögliches Ziel. Gelingt die sensorische Integration besser, reduzieren sich oft auch Ängste, Unruhe oder Ablehnung bestimmter Alltagsituationen.
- Kommunikation und Sozialverhalten fördern: Hier setzen die Ziele natürlich an den Fähigkeiten des Kindes an. Für ein Kind, das kaum spricht, könnte ein Ziel sein, dass es durch Zeigen oder Piktogramme seine Wünsche äußert, anstatt zu schreien. Bei einem Kind, das bereits Sprache hat, könnte ein Ziel sein, einfache Dialogregeln zu üben (zuhören, antworten) oder Blickkontakt zu steigern. Sozialverhaltenstraining in der Ergotherapie kann beispielsweise bedeuten: abwarten lernen, bis man dran ist; ein Spiel gemeinsam mit einem anderen Kind durchführen (ggf. in einer Kleingruppe); oder im Rollenspiel soziale Situationen (z. B. „Wir begrüßen uns morgens“) ausprobieren. Die Verbesserung sozialer Fähigkeiten soll dem Kind helfen, sich in Kindergarten- oder Schulsituationen besser einzufügen und Kontakte zu knüpfen.
- Emotionsregulation und Verhalten: Ein Ziel kann sein, dass das Kind Strategien lernt, um mit Frustration, Wut oder Angst angemessener umzugehen. Beispielsweise könnte ein Ziel lauten: „Kann sich nach einer Unterbrechung beim Lieblingsspiel innerhalb von 5 Minuten wieder beruhigen, ohne sich selbst oder andere zu verletzen.“ Oder: „Kann bei Überforderung eine Pause signalisieren (z. B. durch ein ‚Pause‘-Kärtchen oder Geste), statt einen Wutanfall zu bekommen.“ Solche Ziele helfen, das Familienleben entspannter zu machen und dem Kind zu ermöglichen, stressige Situationen besser zu überstehen.
- Aufmerksamkeit und Ausdauer: Autistische Kinder haben oft spezielle Interessen, können sich aber bei anderen Aufgaben schwer konzentrieren. Ein therapeutisches Ziel könnte sein, die Konzentrationsspanne langsam auszudehnen – zum Beispiel 10 Minuten am Tisch etwas zu basteln, auch wenn es nicht das Lieblingsthema ist. Oder bei Schulkindern: eine kurze Anweisung der Lehrkraft zu hören und umzusetzen. Bessere Aufmerksamkeit hilft dem Kind beim Lernen und im Gruppengeschehen mitzukommen.
- Selbstbewusstsein und positives Selbstbild: Ein sehr wichtiges, wenn auch indirektes Ziel der Ergotherapie ist, dass das Kind sich als kompetent und wertvoll erlebt. Durch Erfolgserlebnisse in der Therapie („Ich habe es geschafft, alleine die Socken anzuziehen!“) wächst das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Autistische Kinder erleben im Alltag leider häufig Misserfolge oder dass sie anders sind als andere – umso wichtiger ist es, ihnen in der Therapie zu zeigen, was sie gut können und wie sie trotz Schwierigkeiten etwas erreichen können. Ein gestärktes Selbstbewusstsein wirkt sich positiv auf alle Lebensbereiche aus.
Diese Ziele werden nicht alle auf einmal und nicht bei jedem Kind gleichermaßen verfolgt. Zu Beginn der Therapie werden gemeinsam mit den Eltern (und je nach Alter auch mit dem Kind selbst) individuelle Ziele festgelegt. Diese können sich im Verlauf ändern oder erweitert werden, je nachdem welche Fortschritte gemacht werden und welche neuen Herausforderungen eventuell auftauchen (zum Beispiel wenn der Übergang vom Kindergarten zur Schule ansteht, kommen oft neue Ziele hinzu).

Wie läuft eine typische Ergotherapie ab?
Jede Ergotherapie ist individuell verschieden, aber es gibt einige gemeinsame Elemente im Ablauf.
1. Anmeldung und Verordnung: Zunächst benötigt man in der Regel eine Verordnung (Rezept) für Ergotherapie, die z. B. vom Kinderarzt ausgestellt wird. Sobald Sie diese haben, suchen Sie eine Ergotherapie-Praxis, idealerweise eine, die Erfahrung mit Kindern im Autismus-Spektrum hat. Nach telefonischer Anmeldung wird ein erster Termin vereinbart. Manchmal gibt es Wartezeiten, da Ergotherapie-Praxen sehr gefragt sind – melden Sie sich also möglichst frühzeitig an.
2. Erstgespräch und Befundaufnahme: Die erste Sitzung (oder manchmal auch die ersten zwei Sitzungen) sind dazu da, einen Eindruck vom Kind und seinen Bedürfnissen zu gewinnen. Die Ergotherapeutin oder der Ergotherapeut führt ein ausführliches Gespräch mit Ihnen als Eltern: Welche Schwierigkeiten haben Sie beobachtet? In welchen Situationen tritt was auf? Was sind Ihre dringendsten Anliegen? Oft werden Sie gebeten, Beispiele aus dem Alltag zu schilderen (z. B. „Morgens beim Anziehen gibt es große Probleme, weil…“). Bringen Sie vorhandene Berichte (z. B. vom Arzt, vom Frühförderzentrum oder die Autismus-Diagnose) ruhig mit – das hilft dem Therapeuten, das Gesamtbild zu verstehen. Parallel oder anschließend wird auch das Kind behutsam beobachtet: wie es spielt, wie es auf Ansprache reagiert, welche motorischen Fähigkeiten es zeigt etc. Je nach Alter und Fähigkeit des Kindes werden auch gezielte Tests oder Aufgaben durchgeführt, etwa ein Motorik-Testspiel oder einfache Wahrnehmungsübungen. Wichtig ist in dieser Phase vor allem, Vertrauen aufzubauen: Das Kind soll die Praxis kennenlernen, die Therapeut*in und die Umgebung als sicher und angenehm wahrnehmen. Oft wird spielerisch vorgegangen – z. B. gemeinsam ein paar Seifenblasen machen oder mit einem interessanten Spielzeug spielen, damit das Kind sich öffnet.
3. Zielsetzung und Therapieplan: Nach der Befunderhebung werden gemeinsam mit Ihnen die Therapieziele besprochen und festgelegt (wie im vorherigen Abschnitt beschrieben). Daraus entwickelt die Therapeut*in einen individuellen Therapieplan. Das bedeutet, sie überlegt sich, mit welchen Methoden und Aktivitäten man die gesetzten Ziele erreichen kann. Zum Beispiel: Wenn ein Ziel ist, dass das Kind sich besser konzentrieren kann, plant der Therapeut evtl. regelmäßige kurze Sitz-Spiele und sensorische Übungen ein. Wenn das Anziehen geübt werden soll, könnte ein Teil der Stunde daraus bestehen, das An- und Ausziehen spielerisch zu trainieren (z. B. eine Verkleidungsrunde mit Kostümen oder eine Puppe anziehen).
4. Regelmäßige Therapiesitzungen: Üblicherweise findet Ergotherapie ein- bis zweimal pro Woche statt, jede Sitzung dauert etwa 45-60 Minuten (bei jüngeren Kindern meist 45 Minuten). Die Konstanz ist wichtig: Durch die regelmäßige Wiederholung und den Aufbau von Ritualen gewinnt das Kind Sicherheit. Eine typische Therapiesitzung mit einem Vorschul- oder Grundschulkind könnte folgendermaßen aussehen:
- Begrüßung und Ankommen: Das Kind kommt an, es gibt ein kleines Begrüßungsritual (z. B. ein Lied, ein High-Five, das Aufkleben eines Bildchens auf den Plan für heute). Solche Rituale geben Struktur.
- Sensorische Aktivität zu Beginn: Oft startet die Stunde mit einer Aktivität, die dem aktuellen Energie- und Reizzustand des Kindes entspricht. Ist das Kind zappelig und unruhig, kann zuerst etwas gemacht werden, das Kraft und Bewegung erfordert (z. B. Trampolin springen, über einen Parcours klettern, mit einem schweren Kissen werfen) – das hilft, überschüssige Energie abzubauen und die Aufmerksamkeit zu fokussieren. Ist das Kind dagegen müde oder ängstlich, kann eine stimulierende oder beruhigende Übung helfen (z. B. in einer Hängeschaukel schaukeln, gemeinsam eine Massage mit einem Igelball machen, tiefe Druckübungen). Diese sensorischen Einstiegsübungen stammen aus der Sensorischen Integrationstherapie und bereiten das Nervensystem darauf vor, besser aufnehmen zu können, was als nächstes kommt.
- Übungen und Spiele je nach Zielen: Im Hauptteil werden gezielt die Fertigkeiten geübt, die im Mittelpunkt stehen. Das geschieht immer spielerisch, dem Alter angemessen. Beispiel: Ist das Ziel Feinmotorik verbessern, könnte die Therapeutin ein Bastelspiel anbieten (z. B. Kneten, Perlen auffädeln, mit einer Pinzette Gegenstände sortieren). Geht es um Sozialverhalten, könnte ein Brettspiel gespielt werden, wo man Regeln einhalten und abwechseln muss. Für Alltagsfähigkeiten werden oft Rollenspiele oder echte Materialien genutzt – etwa ein kleines „Anziehspiel“, bei dem das Kind seine Lieblingspuppe anzieht, oder es wird in der Therapieküche ein einfacher Snack zubereitet, wenn es ums Essenlernen geht. Kinder lieben es oft, wenn Übungen in Geschichten oder Themen verpackt sind (z. B. „Wir sind heute Piraten auf Schatzsuche – um die Schatztruhe zu öffnen, müssen wir erst diese schweren Säcke (Therapiesäckchen) tragen, dann einen geheimen Code mit dem Stift zeichnen…“ usw.). So merken sie gar nicht, dass sie gerade fleißig üben.
- Abschluss und Übergang: Gegen Ende der Stunde wird oft noch einmal etwas Ruhiges gemacht, besonders wenn zwischendurch viel Action war. Das kann ein kurzes Vorlesen sein, ein Puzzle zur Beruhigung oder das gemeinsame Aufräumen als Strukturabschluss. Die Therapeut*in lobt das Kind für seine Teilnahme („Toll gemacht heute, du bist super über die wackelige Brücke balanciert!“). Ein Abschlussritual (z. B. zusammen ein Sticker ins Ergotherapie-Heft kleben oder ein Abschiedslied) signalisiert dem Kind, dass die Stunde vorbei ist. Verabschiedungen und Vorankündigungen („Wir sehen uns nächste Woche wieder, dann machen wir vielleicht mit der Schaukel weiter“) helfen dem Kind, den Übergang zu meistern.
- Elterngespräch (kurz): Nach jeder Sitzung – oder je nach Absprache alle paar Sitzungen – tauscht sich die Therapeut*in kurz mit Ihnen als Eltern aus. Sie erfahren, was heute gemacht wurde, wie Ihr Kind sich verhalten hat und welche Beobachtungen es gab. Umgekehrt berichten Sie, ob Ihnen im Alltag seit dem letzten Mal etwas Positives oder Schwieriges aufgefallen ist. Dieser Austausch ist wichtig, um die Therapie an die aktuelle Situation anzupassen und Ihnen Tipps für zu Hause mitzugeben.
5. Verlauf und Anpassung: Ergotherapie bei Autismus ist meist ein längerfristiger Prozess. Oft erstreckt sich die Therapie über viele Monate bis einige Jahre, mit Unterbrechungen je nach Bedarf. In regelmäßigen Abständen (z. B. alle 10 Stunden oder am Ende einer Verordnungsserie) wird geschaut, ob die gesetzten Ziele erreicht wurden und welche neuen Ziele formuliert werden können. Die Therapeut*innen passen die Methoden immer wieder an – je nachdem, was das Kind mag, was es motiviert oder wo es Fortschritte zeigt. Wenn ein Ansatz nicht greift (z. B. eine bestimmte Übung das Kind langweilt oder stresst), wird umgestellt. Die Therapie bleibt flexibel und kreativ, denn autistische Kinder entwickeln sich nicht nach Schablone.
6. Abschluss oder Pause: Irgendwann kommt der Punkt, an dem entweder die definierten Ziele erreicht sind oder andere Maßnahmen in den Vordergrund treten. Dann wird die Ergotherapie in Absprache mit Ihnen beendet oder pausiert. Eine erfolgreiche Ergotherapie zeigt sich darin, dass das Kind im Alltag deutlich selbstständiger geworden ist und Sie als Familie Strategien gefunden haben, die Herausforderungen besser zu bewältigen. Manchmal sind weiterführend andere Therapien sinnvoll (z. B. mehr Fokus auf Sprachtherapie, wenn Kommunikation nun im Vordergrund steht). Wichtig zu wissen: Eine Therapiepause oder -ende heißt nicht, dass nie wieder Bedarf entstehen kann. Lebensabschnitte wie der Wechsel in die Schule, die Pubertät oder ein Umzug können neue Schwierigkeiten mit sich bringen, bei denen eine erneute Ergotherapie ratsam ist. Scheuen Sie sich also nicht, später erneut Unterstützung zu suchen, wenn Sie merken, es tut Ihrem Kind wieder gut.
Welche Methoden und Ansätze kommen in der Ergotherapie zum Einsatz?
Ergotherapeut*innen verfügen über eine ganze Palette von Methoden, die je nach Kind und Ziel eingesetzt werden. Bei autistischen Kindern werden häufig folgende Ansätze kombiniert:
- Sensorische Integrationstherapie (SI): Diese Methode wurde entwickelt, um Kindern mit Wahrnehmungsstörungen zu helfen, Sinneseindrücke besser zu verarbeiten. Sie spielt bei autistischen Kindern oft eine große Rolle, da fast alle Autistinnen Besonderheiten in der sensorischen Verarbeitung haben. In der SI-Therapie setzt man vielfältige Reize in einer dosierten, spielerischen Form ein – etwa Schaukeln (vestibuläre Reize), Klettern und Springen (propriozeptive Reize für die Tiefenwahrnehmung), verschiedene Materialien fühlen (taktil: Sand, Bürstenmassage, Rasierschaum matschen). Das Ziel ist, dass das Nervensystem lernt, diese Reize besser einzuordnen und entsprechend angepasster reagieren zu können. Ein Kind, das z. B. ständig gegen Dinge läuft und stolpert, könnte in der SI-Therapie viel Gleichgewichtstraining und Tiefensensibilitätsübungen bekommen, damit es seinen Körper bewusster steuert. Ein Kind, das Berührung extrem meidet, wird langsam an taktile Reize gewöhnt – vielleicht zuerst mit einem Pinsel über die Haut streichen, dann weichere Gegenstände berühren lassen, irgendwann auch verschiedene Textilien auf der Haut tragen. SI-Therapie sieht von außen oft aus wie „auf dem Spielplatz toben“, ist aber sehr durchdacht: Die Therapeutin wählt genau die richtigen Herausforderungen, um die Sinneswahrnehmung des Kindes zu schulen. Verbesserte sensorische Integration führt dazu, dass das Kind im Alltag z. B. weniger überreizt ist, sich besser konzentrieren kann und auch motorisch geschickter wird.
- Alltagsorientiertes Training: Diese Herangehensweise meint, dass gezielt alltägliche Aktivitäten geübt und trainiert werden – nicht nur abstrakte Übungen. Bei autistischen Kindern bedeutet das: Die Ergotherapie orientiert sich an den konkreten Situationen, die das Kind bewältigen soll. Wenn das Kind Schwierigkeiten hat, im Kindergarten die Jacke aufzuhängen und sich die Hausschuhe anzuziehen, kann man genau das in der Therapie üben – vielleicht wird in der Praxis eine kleine Garderobe aufgebaut und das Kind spielt „Wir kommen im Kindergarten an“ und hängt dabei (mit Hilfestellung) seine Jacke auf. Oder wenn ein Grundschulkind Probleme hat, mit der Schere zu schneiden (was aber im Kunstunterricht verlangt wird), wird das Schneiden in der Stunde eingebaut (z. B. bastelt man zusammen etwas, bei dem geschnitten werden muss). Alltagsorientiertes Training heißt auch, dass die Therapeut*innen den Ablauf der Familie miteinbeziehen: Welche Morgen- oder Abendroutinen hat das Kind? Wo klemmt es? Dann werden vielleicht Tipps gegeben oder Abläufe geübt (z. B. abends immer in der gleichen Reihenfolge: erst Baden, dann Pyjama anziehen – das kann man in Rollenspielen thematisieren oder dem Kind mit einer Bilderserie veranschaulichen). Wichtig ist dabei, dass immer die individuelle Lebenswelt des Kindes im Fokus steht, damit das Gelernte praktisch relevant ist und auch wirklich im Alltag umgesetzt werden kann.
- Visuelle Strukturierung und TEACCH-Ansatz: TEACCH steht für „Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children“ und ist ein weltweit anerkannter pädagogisch-therapeutischer Ansatz für Autismus. Ergotherapeut*innen übernehmen aus TEACCH vor allem das Prinzip der visuellen Strukturierung. Viele autistische Kinder verstehen visuelle Informationen viel besser als verbale. Daher arbeitet man mit Bildern, Symbolen, Farben, um dem Kind Klarheit zu geben. Zum Beispiel kann ein visueller Zeitplan für die Therapiestunde an der Wand hängen: Bilder, die zeigen „Zuerst spielen wir mit der Knete, dann gibt es Schaukelzeit, dann ein Puzzle, am Ende ein Lied“. Das Kind kann zur Orientierung vielleicht die gerade erledigte Aufgabe abhaken oder ein „Fertig“-Kärtchen draufkleben. Solche Methoden werden oft übernommen, weil sie den Kindern Sicherheit geben und Eigenständigkeit fördern („Ich sehe, was als nächstes kommt, und bin vorbereitet“). TEACCH legt auch Wert auf eine strukturierte Umgebung: In der Praxis kann das heißen, es gibt klare abgegrenzte Bereiche (z. B. eine Ecke mit Matte für Bewegung, ein Tisch für Konzentrationsaufgaben), damit das Kind weiß, was wo erwartet wird.
- Spieltherapeutische Ansätze: Das Spiel ist das Medium, durch das Kinder lernen. In der Ergotherapie werden je nach Bedarf unterschiedliche spielerische Methoden genutzt. Bei autistischen Kindern ist oft freies Spiel anfangs gar nicht so leicht, weil sie dazu neigen, in immer gleichen Mustern zu spielen oder sich schwer tun, mit einem anderen zusammen zu spielen. Therapeut*innen nutzen gewünschte Aktivitäten des Kindes, um in einen Dialog zu treten – z.B. reiht das Kind gern Autos auf, dann setzt sich die Therapeutin dazu und beginnt vielleicht, eine Straße mit Klebeband auf den Boden zu kleben, um dem Spiel einen neuen Dreh zu geben, den das Kind aufgreifen kann. Auch Elemente aus der Gestaltungstherapie können vorkommen: Malen, mit Ton matschen, Musik machen – all das, was dem Kind Ausdrucksmöglichkeiten gibt und es sensorisch anspricht. Manchmal helfen auch Geschichten oder Handpuppen, um an Themen heranzugehen, die das Kind sonst meidet (z. B. eine Handpuppe, die „Angst vor dem lauten Staubsauger“ hat, kann stellvertretend Lösungen suchen, wie man mit dem Lärm umgehen kann – das Kind tröstet dann vielleicht die Puppe und lernt dabei selbst).
- Soziales Kompetenztraining: Falls die Möglichkeit besteht, wird in manchen Praxen auch Gruppentherapie angeboten – z. B. kleine Gruppen von 2-3 Kindern, um soziale Fertigkeiten zu üben. Nicht jede Praxis kann Gruppen organisieren, aber einige tun es. Dort lernen die Kinder in einem geführten Rahmen miteinander zu interagieren: gemeinsam ein Spiel machen, Konflikte mit Hilfe der Therapeuten zu lösen, auf die Ideen anderer einzugehen. Auch im Einzelsetting kann man soziales Verhalten trainieren, oft indem z.B. der/die Therapeut*in in die Rolle eines Spielkameraden schlüpft oder indem Geschwisterkind/Eltern mal mit in die Stunde kommen für bestimmte Übungen.
- Weitere spezifische Methoden: Es gibt noch spezielle Konzepte, die man je nach Fortbildung der Therapeut*innen antreffen kann. Einige Beispiele: Die Affolter-Methode (bei der das Kind durch geführtes Handeln lernt, Sinnzusammenhänge besser zu erfassen, z. B. die Therapeutin führt das Kind bei der Hand, um gemeinsam eine Handlung durchzuführen); das CO-OP-Training (eine kognitive Methode, bei der das Kind selbst Lösungen für motorische Probleme entwickelt nach dem Motto „Goal-Plan-Do-Check“, was schon im Grundschulalter anwendbar ist, um z.B. das Schleifebinden mit eigenem Plan anzugehen); Neurofeedback (ein computergestütztes Training, das Hirnaktivitäten regulieren hilft und bei manchen autistischen Kindern zur Verbesserung von Aufmerksamkeit eingesetzt wird). Solche Methoden werden je nach Bedarf eingebunden, sind aber nicht überall verfügbar. Wichtig ist: Jede Praxis nutzt einen etwas anderen Methodenmix, aber alle seriösen Ansätze werden kindgerecht und mit Blick auf Alltagstauglichkeit angewandt.

Welche Fähigkeiten werden durch Ergotherapie gefördert?
Ergotherapie zielt auf eine Vielzahl von Entwicklungsbereichen. Für autistische Kinder sind insbesondere folgende Fähigkeiten im Fokus:
- Selbstständigkeit und Alltagsbewältigung: Dies ist das Kernziel – dass das Kind möglichst viel selbst machen kann. Dazu gehören Anziehen, essen, trinken, Toilettengang, aber auch z.B. alleine spielen können für eine gewisse Zeit, oder bei älteren Kindern alleine Hausaufgaben beginnen können (je nach Fähigkeit). Selbstständigkeit bedeutet auch, Entscheidungen zu treffen („Möchtest du den roten oder den blauen Pullover anziehen?“) und eigene Bedürfnisse zu kommunizieren („Ich brauche Hilfe“ oder „Ich möchte jetzt das Spiel wechseln“). Ergotherapie stärkt all diese Facetten, indem das Kind Übung darin bekommt und Erfolgserlebnisse sammelt, alleine etwas geschafft zu haben.
- Feinmotorik und Handgeschick: Viele Übungen in der Ergotherapie verbessern die Feinmotorik – sei es das Malen, Basteln, Perlen fädeln, Kneten oder Bauen mit kleinen Objekten. Eine gute Feinmotorik ist wichtig für Dinge wie Schreiben lernen, Bastelarbeiten im Kindergarten oder Schule, Schleifen binden und essen mit Besteck. Ergotherapeut*innen wählen oft Tätigkeiten, die dem Kind Spaß machen, aber quasi „nebenbei“ die Handgeschicklichkeit trainieren. Wenn ein Kind z.B. gern mit dem Tablet spielt, kann man versuchen, die gleiche Faszination fürs Malen auf einem Whiteboard oder in einem Sandkasten zu wecken, sodass es die Finger einsetzt. Feinmotorische Fortschritte sieht man dann z.B. daran, dass das Kind seinen eigenen Namen kritzeln kann, einen Ball mit einer Hand fangen kann oder kleine Legosteine selbst zusammensteckt.
- Grobmotorik, Gleichgewicht und Koordination: Durch Bewegungsspiele (Hüpfen, Klettern, Ball spielen etc.) verbessert sich die grobmotorische Sicherheit. Das Kind wird körperlich aktiver und geschickter, was wiederum förderlich ist, um mit anderen Kindern mitzuhalten oder einfach um sich wohl in seinem Körper zu fühlen. Ein besserer Gleichgewichtssinn hilft zum Beispiel beim Treppensteigen oder Fahrradfahren. Ergotherapie kann zum Beispiel bewirken, dass ein Kind, das vorher ungern auf dem Spielplatz war oder schnell hinfiel, nun mutiger klettert und seltener stürzt, weil es gelernt hat, sich selbst einzuschätzen und auszubalancieren.
- Sensorische Verarbeitung: Wie oben erwähnt, lernen Kinder in der Ergotherapie oft, Reize besser zu filtern. Das führt zu ganz praktischen Verbesserungen: Ein Kind, das vorher beim kleinsten Geräusch die Ohren zugehalten und geweint hat, kann vielleicht nach einiger Zeit in der Turnhalle beim lauten Toben der anderen Kinder mitmachen, ohne in Panik zu geraten. Oder ein Kind, das nur ganz wenige Lebensmittel akzeptiert hat (extrem wählerisches Essen aufgrund sensorischer Gründe), traut sich, neue Speisen zumindest zu probieren. Auch schlafen manche Kinder besser, wenn ihre sensorische Unruhe sich legt (z. B. durch Techniken, die sie abends anwenden, wie in eine schwere Decke kuscheln, was in der Therapie erarbeitet wurde).
- Kommunikationsfähigkeit: Ergotherapie kann bewirken, dass ein Kind im Rahmen seiner Möglichkeiten besser kommuniziert. Das kann bedeuten: Ein vormals nonverbales Kind verwendet nun Gebärden oder Bildkarten, um „ja“ oder „nein“ oder bestimmte Wünsche auszudrücken – es ist nicht mehr komplett auf Schreien angewiesen. Oder ein Kind, das zwar sprechen kann, aber immer nur monologisiert, lernt im Therapiekontakt, auf Fragen zu antworten oder ein einfaches Gespräch über sein Lieblingsthema zu führen. Das sind wichtige Fortschritte, die auch im Alltag (z. B. im Umgang mit Lehrern oder Großeltern) spürbar sind.
- Sozialverhalten und Interaktion: Durch den kontinuierlichen Kontakt mit der Therapeut*in (und eventuell anderen Kindern in Gruppensettings) üben autistische Kinder soziale Grundfähigkeiten. Dazu gehört, Blickkontakt auszuhalten, Nähe und Distanz zu regulieren (z. B. nicht zu dicht vor anderen zu stehen, was vielen autistischen Kindern schwerfällt) oder einfache Höflichkeitsformen („Hallo“ sagen, Tschüss winken) zu zeigen. Natürlich ist das immer im Rahmen dessen, was das Kind kann und nicht erzwungen. Aber oft sehen Eltern nach einiger Zeit Ergotherapie, dass ihr Kind offener wird: Vielleicht kommt es nach der Stunde stolz raus und zeigt den Eltern, was es gebastelt hat – was es früher nie tat. Oder es spielt zuhause mal „Therapiesituation“ mit Kuscheltieren nach, was zeigt, dass es Erlebtes verarbeiten und Beziehungen nachspielen kann. Solche Zeichen deuten auf verbesserte soziale Verständigung hin.
- Emotionsregulation und Frustrationstoleranz: Wenn Kinder lernen, sich selbst besser zu spüren und wissen, was ihnen hilft, dann können sie auch mit schwierigen Gefühlen besser umgehen. Ein Erfolg der Ergotherapie wäre z.B., wenn ein Kind, das früher sofort in Tränen ausbrach, wenn etwas nicht klappte, nun versucht, sich selbst zu beruhigen oder um Hilfe zu bitten. Oder dass Wutanfälle seltener und weniger heftig werden, weil das Kind z.B. gelernt hat, vorab seinen Stresspegel zu erkennen (die Therapeutin hat vielleicht mit dem Kind geübt: „Wenn du merkst, dein Bauch fühlt sich eng an, darfst du das rote Kissen holen, das hilft dir“ – und irgendwann macht das Kind das von selbst). Diese Fähigkeit, Gefühle zu regulieren, entwickelt sich zwar oft langsam und mit Rückschritten, aber jede kleine Verbesserung steigert die Lebensqualität für Kind und Familie enorm.
- Flexibilität und Problemlösen: Autistische Kinder tun sich oft schwer damit, flexibel auf Veränderungen zu reagieren. In der geschützten Therapiesituation kann man vorsichtig an dieser Flexibilität arbeiten. Beispielsweise indem man ab und zu bewusst etwas leicht verändert („Heute ist dein Lieblingsball leider weggerollt, was können wir stattdessen nehmen?“) und das Kind begleitet, eine Alternative zu finden. Mit der Zeit kann das Kind besser mit ungewohnten Situationen umgehen, weil es im Therapie-Spiel gelernt hat: Auch wenn Plan A nicht geht, gibt es vielleicht ein Plan B, und das ist nicht schlimm. Das ist eine sehr wichtige Lebenskompetenz, die später z.B. in der Schule hilft (wenn mal die Lehrerin krank ist und ein Vertretungsplan kommt, gerät das Kind nicht völlig aus der Bahn, sondern kann sich etwas besser anpassen).
Natürlich werden nicht alle autistischen Kinder in allen diesen Bereichen riesige Fortschritte machen – je nach Schwere des Autismus und den individuellen Ausgangsfähigkeiten wird es unterschiedliche Profile geben. Aber selbst kleine Fortschritte in einzelnen Bereichen sind wertvoll. Jeder neu erlernte Handgriff, jede überstandene schwierige Situation ohne Zusammenbruch ist ein Gewinn an Lebensqualität und ein Baustein für die Zukunft des Kindes.
Welche Besonderheiten bei autistischen Kindern werden beachtet?
Bei der Arbeit mit autistischen Kindern ist Fingerspitzengefühl und Anpassungsfähigkeit gefragt. Ergotherapeut*innen berücksichtigen insbesondere:
- Reizüberflutung vermeiden: Autistische Kinder können von zu vielen Sinneseindrücken überwältigt werden. Daher achten Therapeut*innen auf eine möglichst reizangepasste Umgebung. Der Therapieraum ist oft nicht überladen dekoriert, es dudelt keine laute Musik nebenbei, grelles Neonlicht wird vermieden. Materialien werden dosiert angeboten – nicht zehn Spielsachen auf einmal, sondern eines nach dem anderen, um das Kind nicht zu überfordern. Wenn das Kind sehr lärmempfindlich ist, kann z.B. die Tür geschlossen werden, ein „Bitte nicht stören“-Schild draußen, oder das Kind darf eventuell sogar Kopfhörer tragen, falls bestimmte Geräusche unvermeidbar sind. Ebenso wird auf taktile Empfindlichkeiten eingegangen: Ein Kind, das keinen Sand an den Händen mag, wird nicht gezwungen darin zu spielen, sondern man beginnt vielleicht mit trockenem Reis oder mit einem Handschuh, bis es sich steigern lässt.
- Klare Strukturen und Vorhersehbarkeit: Wie schon erwähnt, sind Routine und Struktur enorm wichtig. Therapeut*innen kündigen Aktivitäten deutlich an („Gleich machen wir noch eins und dann sind wir fertig“), nutzen visuelle Pläne oder Time-Timer (eine Uhr, die mit Farbanzeige die verbleibende Zeit zeigt) und halten möglichst einen gleichbleibenden Ablauf von Sitzung zu Sitzung ein. Wenn Veränderungen nötig sind (z. B. die Therapeutin ist krank und eine Vertretung springt ein, oder der Termin muss verschoben werden), versucht man, das Kind und die Eltern vorab zu informieren und vorzubereiten. Durch diese Verlässlichkeit gewinnt das Kind Vertrauen und fühlt sich sicher – die Grundvoraussetzung, um überhaupt lernbereit zu sein.
- Individuelle Kommunikationsweise: Manche autistische Kinder sprechen gar nicht oder sehr wenig; andere sprechen, aber vielleicht auf ungewöhnliche Weise (z. B. in Echolalien oder monologisierend über Spezialthemen). Die Ergotherapeutinnen stellen sich darauf ein. Bei nichtsprechenden Kindern wird mit Gebärden oder Bildkarten kommuniziert, oft in Absprache mit Logopädinnen oder sonderpädagogischen Fachstellen, damit man eine gemeinsame Linie fährt. Wichtig ist, dem Kind trotzdem eine Stimme zu geben: Das heißt, auch wenn es nicht redet, wird darauf geachtet, was es zeigt, worauf es blickt, welche Laute es von sich gibt – all das wird ernst genommen als Kommunikation. Bei Kindern, die sehr viel über ihr Spezialinteresse reden (z. B. ständig Zahlen oder Fahrpläne aufzählen), gehen Therapeut*innen behutsam damit um: Sie nehmen das Interesse ernst (vielleicht baut man mal eine Übung ein, wo man mit den Lieblingszahlen spielt oder einen Fahrplan malt), versuchen aber auch, das Kind langsam auf andere Themen zu lenken, um seine Flexibilität zu fördern.
- Respekt vor dem Tempo des Kindes: Autistische Kinder brauchen oft länger, um neue Dinge zu verarbeiten oder sich an Personen zu gewöhnen. Eine gute Ergotherapeut*in drängt das Kind nicht und lässt ihm die Zeit, die es braucht. Es kann durchaus passieren, dass in den ersten Sitzungen gar nicht „viel passiert“ im herkömmlichen Sinne – vielleicht erkundet das Kind nur den Raum oder sortiert stumm Bauklötze, während die Therapeutin beobachtend daneben sitzt. Das ist okay. Erst wenn eine Vertrauensbasis da ist, kann man Anforderungen vorsichtig steigern. Dieses geduldige Vorgehen ist eine Besonderheit der Therapie mit Autisten: Druck und Hast führen meist zu Rückschritten (das Kind zieht sich zurück oder verweigert sich). Also wird das Tempo individuell angepasst.
- Besondere Interessen nutzen: Autistische Kinder haben oft intensive Spezialinteressen – sei es Dinosaurier, Züge, Zahlen oder bestimmte Filme. Anstatt das abzulehnen, nutzen viele Therapeut*innen diese Interessen gezielt als Motivationsmotor. Zum Beispiel: Das Kind liebt Züge über alles? Dann wird eben ein „Zugspiel“ in die Therapie eingebaut, etwa Hindernisse im Raum als „Bahnhofsstationen“ und das Kind ist der Zug, der etwas transportiert. Oder man malt einen Zug, bei dem jedes angehängte Waggon-Symbol eine Aufgabe darstellt (erst der Waggon „Gleichgewicht“, dann der Waggon „Malen“). Wenn das Interesse in die Aktivitäten einfließt, fühlt sich das Kind gesehen und ernst genommen – und wird viel eher mitmachen. Es geht darum, das was das Kind gerne mag, als Brücke zu nutzen, um andere, weniger geliebte Fertigkeiten quasi im Windschatten zu üben.
- Vermeidung und Umgang mit Überforderungsreaktionen: Trotz aller Vorsicht kann es vorkommen, dass ein Kind in der Therapie eine Überforderungsreaktion zeigt – zum Beispiel einen Meltdown (heftiger Gefühlsausbruch, Weinen, Schreien, zu Boden werfen) oder Shutdown (sich zurückziehen, nicht mehr ansprechbar sein). Erfahrene Therapeut*innen wissen, wie sie dann reagieren: meist ruhig bleiben, dem Kind einen sicheren Rahmen geben (z. B. aus dem Reiz herausnehmen, in einen ruhigen Nebenraum oder eine Kuschelecke gehen), nicht schimpfen oder strafen, sondern Verständnis zeigen („Das war jetzt zu viel, gell? Wir machen leiser.“). Oft haben sie mit Ihnen als Eltern im Vorfeld besprochen, was in solchen Situationen hilft – vielleicht hat das Kind eine Beruhigungsstrategie, die es von zu Hause kennt (z. B. in eine Decke wickeln, Kopfhörer aufsetzen). Diese werden dann angewandt. Wichtig ist danach, gemeinsam herauszufinden, was der Auslöser war, um zukünftig solche Situationen zu vermeiden oder früher gegenzusteuern. Diese einfühlsame Umgangsweise unterscheidet sich von manchen Standardtherapien, weil man eben weiß: autistische Kinder „funktionieren“ nicht immer nach Schema F, und man muss flexibel und verständnisvoll bleiben.
- Einbindung von Routinen und Vorlieben: Wenn ein Kind zum Beispiel immer denselben Ablauf braucht, um sich wohl zu fühlen (z.B. erst 5 Minuten schaukeln, dann ist es bereit etwas am Tisch zu machen), dann versuchen Therapeut*innen, das möglichst einzuhalten und allmählich zu erweitern. Man arbeitet nicht gegen die Bedürfnisse des Kindes, sondern mit ihnen, und formt sie langsam um, wenn nötig. Ebenso, wenn ein Kind bestimmte Abneigungen hat (z.B. es hasst klebrige Finger) – dann findet man vielleicht erstmal Alternativen (mit Handschuhen malen, mit einem Stift statt mit Fingerfarbe). Die Besonderheiten werden nicht als „Problem“ betrachtet, sondern als Ausgangspunkt, von dem aus man startet.
- Kooperation mit anderen Settings: Autistische Kinder leben ja nicht isoliert – sie sind in Familien, oft in Kindergarten oder Schule. Ergotherapeutinnen achten darauf, den Transfer in diese Lebensbereiche zu schaffen. Das kann bedeuten: Man tauscht sich mit Erzieherinnen oder Lehrerinnen aus (natürlich nur mit Ihrem Einverständnis). Auf Wunsch gehen Therapeutinnen auch mal in den Kindergarten oder in die Schule, um gemeinsam an den festgelegten Ergotherapiezielen zu arbeiten und sie individuell zu beraten. Diese Vernetzung ist eine Besonderheit, da es bei Autismus sehr hilfreich ist, wenn alle Beteiligten (Therapie, Eltern, Schule) an einem Strang ziehen und ähnliche Strategien verwenden. So wird vermieden, dass das Kind in jeder Umgebung komplett unterschiedliche Erwartungen erlebt.

Wie können Eltern Ergotherapie beantragen (mit oder ohne Diagnose)?
Der Weg zur Ergotherapie kann auf verschiedenen Wegen beginnen, je nachdem wo Sie und Ihr Kind gerade stehen:
- Über den Kinderarzt / die Kinderärztin: In den meisten Fällen ist der Kinderarzt die erste Anlaufstelle. Wenn Sie Auffälligkeiten bemerken – sei es in der motorischen Entwicklung, im Verhalten oder in der Wahrnehmung Ihres Kindes – sprechen Sie den Kinderarzt darauf an. Er kann eine Verordnung für Ergotherapie ausstellen (eine sogenannte Heilmittelverordnung). Auf dem Rezept wird vermerkt, welche Art von Störung behandelt wird, z.B. „entwicklungsbedingte Störungen der Motorik und Wahrnehmung“. Es muss nicht ausdrücklich „Autismus“ darauf stehen; oft reicht es, dass z.B. eine „tiefgreifende Entwicklungsstörung“ oder „Störung der sozial-emotionalen Entwicklung“ vermutet wird. Wichtig: Auch ohne eine endgültige Diagnose kann der Kinderarzt eine Ergotherapie verordnen, wenn klar ist, dass Entwicklungsförderung nötig ist. Sie müssen also nicht erst die offizielle Autismus-Diagnose abwarten (die ja mitunter lange dauern kann), um Unterstützung zu bekommen.
- Frühförderstellen / Interdisziplinäre Frühförderung: Für Kinder im Vorschulalter (meist 0-6 Jahre) gibt es in Deutschland ein spezielles Angebot, die Frühförderung. Eltern können sich direkt an eine Frühförderstelle wenden, wenn sie Entwicklungsverzögerungen vermuten, oder werden vom Kinderarzt dorthin überwiesen. In einer Frühförderstelle wird interdisziplinär geschaut, welche Therapien oder Fördermaßnahmen ein Kind braucht. Ergotherapie ist oft Teil der Frühförderung. Das heißt, Ihr Kind könnte dort Ergotherapie erhalten, teils sogar ohne dass Sie extra ein Rezept vom Arzt brauchen, weil es über die Frühförderung läuft. Die Frühförderung kümmert sich auch um Diagnostik; sollte also Autismus im Raum stehen, kann man dort oft Tests veranlassen oder an Spezialisten weiterüberweisen. Wichtig ist: Frühförderung ist freiwillig und kostenfrei für Sie, finanziert über Sozialleistungsträger. Sie können sich meist direkt an das nächstgelegene Frühförderzentrum wenden und einen Termin für eine Entwicklungseinschätzung vereinbaren.
- Mit Diagnose Autismus: Wenn bereits eine Autismus-Spektrum-Diagnose gestellt wurde (z.B. durch ein Sozialpädiatrisches Zentrum oder einen Kinder- und Jugendpsychiater), erhalten Sie meist ohnehin Empfehlungen für Therapien. Ergotherapie steht in solchen Empfehlungen häufig an prominenter Stelle, gerade im Vorschul- und Grundschulalter. Der Diagnostiker wird Ihnen dann nahelegen, Ergotherapie zu machen, und Ihr Kinderarzt stellt daraufhin die Verordnung aus. Manchmal haben spezialisierte Autismus-Zentren auch eigene Therapeutinnen oder Kooperationen – erkundigen Sie sich, ob es in Ihrer Region ein Autismus-Therapiezentrum gibt. Diese bieten zwar meistens keine klassische Ergotherapie an, sondern autismusspezifische Therapien (wie Verhaltenstraining, Kommunikationsförderung), arbeiten aber gelegentlich mit Ergotherapeutinnen zusammen oder können Ihnen gute Adressen nennen.
- Ohne Diagnose: Falls Sie noch keine Diagnose haben und sich unsicher sind, können Sie trotzdem via Kinderarzt eine Ergotherapie ausprobieren. Viele Kinder, bei denen „Verdacht auf Autismus“ besteht oder einfach einzelne Entwicklungsbaustellen, profitieren bereits von Ergotherapie, auch wenn die endgültige Diagnosefindung noch läuft oder vielleicht am Ende etwas anderes festgestellt wird. Die Therapie kann in solchen Fällen auch helfen, das Bild zu klären: Ergotherapeut*innen, die das Kind über einige Zeit sehen, können Rückmeldung geben, welche Art von Problemen im Vordergrund stehen (z.B. eher eine Wahrnehmungsstörung, eher ADHS, oder tatsächlich autistische Verhaltensweisen). Diese Beobachtungen können dann wiederum den Ärzten bei der Diagnostik helfen.
- Über andere Ärzte oder Psychotherapeuten: Wussten Sie, dass nicht nur Kinderärzte Ergotherapie verschreiben dürfen? Auch Kinder- und Jugendpsychiater oder -psychotherapeuten, sowie bestimmte andere Fachärzte (z.B. Neurologen) können eine Verordnung ausstellen. Wenn Sie also mit Ihrem Kind bereits bei einem Kinderpsychiater sind (z.B. zur Diagnostik oder wegen anderer Anliegen), können Sie auch dort nach einem Rezept fragen. Wichtig ist letztlich das Rezept, damit die Krankenkasse die Kosten trägt.
Kostenübernahme: Für Kinder übernimmt in Deutschland die gesetzliche Krankenkasse die Kosten der Ergotherapie komplett (Kinder sind von Zuzahlungen befreit). Bei privat Versicherten kommt es auf den Tarif an, aber in der Regel werden Therapiekosten ebenfalls erstattet, sofern vom Arzt verordnet. Klären Sie im Zweifel mit Ihrer Versicherung, ob Ergotherapie abgedeckt ist. Wenn Sie über die Frühförderung gehen, trägt wie gesagt der Staat bzw. entsprechende Sozialleistungsträger die Kosten.
Worauf achten bei der Therapeutensuche?: Suchen Sie nach einer Praxis für Ergotherapie mit Schwerpunkt Kinder (Pädiatrie). Viele Praxen haben auf ihren Websites stehen, welche Fachbereiche sie abdecken. Sie können auch gezielt fragen: „Haben Sie Erfahrung mit Autismus?“ – Oft gibt es Therapeutinnen, die sich fortgebildet haben oder einfach schon viele autistische Kinder behandelt haben. Ein passender Therapeut ist Gold wert. Hören Sie auch auf Ihr Bauchgefühl beim Kennenlerntermin: Fühlt sich das Kind dort wohl? Geht man auf Ihre Fragen ein? Eine gute Therapeutin wird offen mit Ihnen kommunizieren und auch ehrlich sagen, wenn sie sich etwas (noch) nicht erklären kann.
Wie sehen die ersten Schritte konkret aus?
Nachdem Sie eine Verordnung erhalten und eine Praxis gefunden haben, läuft es meist so ab:
- Terminvereinbarung und Formalitäten: Sie vereinbaren telefonisch oder per E-Mail einen Termin für die Erstvorstellung. Die Praxis wird Sie bitten, die Heilmittelverordnung (das Rezept) zum ersten Termin mitzubringen, und eventuell den Impfpass des Kindes (manche Praxen müssen z.B. Masernimpfung prüfen). Notieren Sie sich die Adresse und schauen Sie, wie Sie hinkommen (gerade mit einem Kind, das Veränderungen nicht mag, sollten Sie genügend Pufferzeit einplanen, damit der erste Termin stressfrei erreicht wird). Falls es einen Fragebogen gibt, den die Praxis vorab verschickt – füllen Sie ihn in Ruhe aus.
- Erstgespräch und Kennenlernen: Beim ersten Termin, wie oben beschrieben, wird viel geredet. Seien Sie ruhig offen über Ihre Beobachtungen. Die Therapeutin stellt Fragen und hört zu. Sie wird auch Ihr Kind kennenlernen wollen. Je nach Situation kann es sinnvoll sein, dass beide Elternteile (wenn vorhanden) dabei sind, um unterschiedliche Eindrücke zu schildern. Aber achten Sie darauf, das Kind dabei nicht aus den Augen zu verlieren – es kann für ein Kind komisch sein, wenn zwei Erwachsene die ganze Zeit über es reden. Gute Therapeutinnen beziehen das Kind, soweit möglich, mit ein – z.B. indem sie sagen „Du magst gar nicht gerne malen, oder? Mama hat mir erzählt, das ist schwer für dich. Das ist völlig okay – vielleicht finden wir zusammen einen Weg, dass es dir mehr Spaß macht.“. So spürt das Kind: Ich werde hier nicht nur begutachtet, sondern man will mir helfen.
- Diagnoseunterlagen mitbringen: Falls bereits Berichte existieren (vom SPZ, vom Psychologen, vom Entwicklungsdiagnostiker), bringen Sie Kopien mit oder bieten Sie an, diese nachzureichen. Das kann Doppeluntersuchungen vermeiden. Zum Beispiel, wenn ein IQ-Test oder Sprachtest erst kürzlich gemacht wurde, muss die Ergotherapeutin nicht unbedingt nochmal ähnliche Dinge austesten, sondern kann die Ergebnisse nutzen.
- Erwartungen besprechen: Gerade am Anfang ist es gut, mit der Therapeutin offen über Erwartungen und Möglichkeiten zu sprechen. Sie als Eltern können sagen, was Sie sich erhoffen („Ich wünsche mir, dass das morgendliche Anziehen ohne Drama klappt.“). Die Therapeutin kann dazu Rückmeldung geben, ob das realistisch ist und in welchem Zeitraum man was erwarten kann. Vielleicht warnt sie auch vor zu hohen Erwartungen („Ganz ohne Protest wird es vielleicht nie gehen, aber wir können schauen, es abzumildern.“). Dieser Austausch hilft, Missverständnisse zu vermeiden und alle auf einen Nenner zu bringen, welche Richtung die Therapie nehmen soll.
- Therapiebeginn: Nach dem Erstgespräch geht es in die regelmäßigen Sitzungen über, wie oben geschildert. Als Eltern werden Sie gefragt werden, ob Sie in der Sitzung dabei bleiben möchten oder draußen warten. Das handhabt jede Praxis und auch jedes Kind unterschiedlich. Viele jüngere autistische Kinder profitieren am Anfang davon, dass Mama oder Papa mit im Raum sind – einfach als sichere Basis. Manche spielen aber auch besser frei auf, wenn die Eltern gerade nicht zuschauen. Eventuell probiert man es aus: Erst sind Sie dabei, und wenn das Kind Vertrauen gefasst hat, trinken Sie beim nächsten Mal vielleicht im Wartezimmer einen Kaffee, während die Stunde läuft. Hier gibt es kein Richtig oder Falsch – tun Sie das, was dem Kind guttut. Die Therapeutin wird Ihnen da auch eine Empfehlung geben.
- Dokumentation und Berichte: Erwarten Sie, dass die Therapeut*innen sich Notizen machen – sei es während der Stunde mental oder danach schriftlich. Das ist normal, denn sie müssen den Verlauf dokumentieren (auch für die Krankenkasse und eventuelle spätere Verlängerungen der Therapie). Nach einigen Wochen oder Monaten erhalten Sie manchmal einen Therapiebericht, insbesondere wenn ein Folgerezept benötigt wird, den der Arzt haben möchte. In diesem Bericht steht dann, welche Fortschritte zu verzeichnen sind, welche Ziele erreicht oder angepasst wurden, etc. Sie können diese Berichte auch für sich selbst nutzen, um den Fortschritt nachzuvollziehen oder auch als Unterlage, falls Sie mal einen Pflegegrad oder Eingliederungshilfe für das Kind beantragen (denn darin stehen funktionale Beeinträchtigungen, was oft gefordert wird).
Zusammengefasst: Die ersten Schritte bestehen aus Organisation (Rezept, Termin, Ankommen), gründlichem Kennenlernen und Planen und dann dem langsamen Einstieg in die aktive Therapie. Lassen Sie sich dabei von der Therapeutin/ dem Therapeuten begleiten – Sie müssen nicht alles wissen, dafür sind die Fachleute da. Scheuen Sie sich aber nicht, all Ihre Fragen zu stellen (z.B. „Wie läuft das mit der Krankenkasse?“, „Was passiert wenn mein Kind gar nicht mitmacht?“, „Darf ich Geschwisterkinder mitbringen?“ etc.). Je informierter und wohler Sie sich fühlen, desto positiver erlebt auch Ihr Kind diese neue Erfahrung.
Welche Rolle spielen Eltern in der Therapie?
Sie als Eltern sind ein ganz wesentlicher Teil des Therapieerfolgs. In der Ergotherapie für Kinder wird nie isoliert nur mit dem Kind gearbeitet, sondern immer auch das Umfeld einbezogen – und das wichtigste Umfeld für ein Vorschul- oder Grundschulkind ist die Familie. Folgende Rollen und Aufgaben haben Eltern typischerweise im Rahmen der Ergotherapie:
- Aktive Mitarbeit und Beobachtung: Besonders am Anfang (und bei jüngeren Kindern) sind Sie oft im Therapieraum mit dabei. Sie erleben so aus erster Hand, wie die Therapeutin mit Ihrem Kind umgeht, welche Methoden funktionieren und was Ihr Kind vielleicht begeistert. Nutzen Sie diese Gelegenheiten als „Lernchance“ für sich: Ergotherapeutinnen haben viel Erfahrung im Umgang mit besonderen Kindern, und Sie können sich manches abschauen. Vielleicht sehen Sie, dass die Therapeutin Ihr Kind immer erst beim Namen anspricht und wartet, bis es hinschaut, bevor sie eine Anweisung gibt – und merken, dass das auch zuhause helfen könnte, Gehör zu finden. Oder Sie beobachten eine neue Spielidee, die Sie zuhause wiederholen können. Manche Praxen bieten auch explizite Elternanleitungen an: Etwa Sie machen gemeinsam mit dem Kind und Therapeut bestimmte Übungen, damit Sie wissen, wie es geht (z.B. wie man eine sanfte Bürstenmassage zur Beruhigung durchführt, oder wie man dem Kind bei Handführungen hilft ohne es zu überfordern). Indem Sie in der Therapiezeit mitlernen, können Sie Ihr Kind im Alltag besser unterstützen.
- Kontinuität zwischen Therapie und Zuhause: Eine Ergotherapie-Stunde pro Woche allein kann nur begrenzt etwas bewirken, wenn das Gelernte nicht im Alltag angewendet wird. Hier kommen Sie ins Spiel: Die Therapeut*in wird Ihnen oft kleine „Hausaufgaben“ oder Tipps für den Alltag mitgeben. Zum Beispiel: „Diese Woche könnten Sie versuchen, Tim jedes Mal wählen zu lassen, ob er aus dem Becher oder mit dem Strohhalm trinken möchte – damit fördern wir seine Entscheidungsfähigkeit.“ Oder: „Wir haben heute geübt, die Jacke am Ärmel zu ziehen – lassen Sie ihn doch immer zuerst selbst versuchen, bevor Sie helfen, auch wenn es länger dauert.“ Solche Absprachen sorgen dafür, dass Therapie und Alltag Hand in Hand gehen. Versuchen Sie, diese Empfehlungen umzusetzen und üben Sie bestimmte Dinge regelmäßig in stressfreien Momenten (z.B. ein Malbuch nutzen, um Feinmotorik zu üben, wenn das Kind in guter Stimmung ist, nicht erst abends wenn alle müde sind). Sie müssen keine strengen Übungspläne verfolgen, aber Kleinigkeiten integrieren helfen sehr.
- Kommunikation mit der Therapeutin: Seien Sie ehrlich und offen über Erfolge und Misserfolge daheim. Wenn Ihr Kind plötzlich etwas schafft, was es früher nicht konnte – erzählen Sie es der Therapeutin in der nächsten Stunde! Das ist wichtig, damit sie weiß, was fruchtet. Genauso, wenn bestimmte Probleme akut sind („Diese Woche hatte er jeden Tag einen Wutanfall wegen dem Sockenanziehen“), dann kann eventuell spontan in der nächsten Sitzung darauf eingegangen werden. Je mehr die Therapeutin über den Alltag Ihres Kindes weiß, desto gezielter kann sie arbeiten. Das heißt natürlich nicht, dass Sie jede Kleinigkeit berichten müssen – aber die wichtigen Ereignisse oder Aha-Momente sollten Sie teilen. Auch Fragen oder Unsicherheiten können Sie jederzeit ansprechen. Zögern Sie nicht zu sagen: „Ich habe nicht ganz verstanden, wie ich ihm bei der Übung helfen soll – können Sie mir das nochmal zeigen?“ Eine gute Therapeutin macht das gern, denn Ihr Verständnis ist der Schlüssel zum Erfolg.
- Emotionale Unterstützung und Geduld: Ihr Kind wird in der Therapie gefördert und auch gefordert. Das kann anstrengend sein. Daheim braucht es dann oft besonders viel Liebe und Geborgenheit, vielleicht auch mal Erholung. Achten Sie darauf, dass Ihr Kind nach der Ergotherapie (vor allem wenn es intensiv war) etwas Ruhe bekommt, oder etwas macht, was es liebt, um runterzukommen. Manche Kinder sind nach den Sitzungen müde oder etwas durch den Wind – das ist normal, schließlich verarbeitet das Gehirn viel Neues. Geben Sie ihm das Gefühl: „Wir sind stolz auf dich, du machst das toll.“ Ihre positive Haltung motiviert das Kind unbewusst, dranzubleiben.
- Entscheidungen treffen: Als Eltern entscheiden Sie letztlich über den Therapieverlauf mit. Sie können beispielsweise mitbestimmen, ob gerade ein Therapieziel angepasst werden sollte, wenn Sie merken, es passt nicht mehr. Oder wenn Sie das Gefühl haben, die Chemie mit der Therapeutin stimmt nicht, dürfen (und sollten) Sie auch das offen ansprechen oder sogar über einen Therapeutenwechsel nachdenken. Ebenso sind Sie die Person, die bei Terminabsprachen, Verlängerungen von Rezepten etc. den Überblick behalten muss. Das organisatorische Management liegt meist bei Ihnen – also rechtzeitig ein Folgerezept beim Arzt holen, neue Termine ausmachen falls Feiertage ausfallen, etc. Das klingt banal, ist aber wichtig, damit die Therapie kontinuierlich laufen kann. Hier hilft oft, sich eine Mappe anzulegen mit allen Unterlagen rund um die Therapie, und Termine gleich im Kalender zu notieren.
- Eltern als Co-Therapeuten (Elterncoaching): Manche Ergotherapeut*innen bieten regelrechte Elterncoachings an – d.h. separate Gesprächstermine nur mit den Eltern, um bestimmte Erziehungsstrategien oder Förderideen zu besprechen. Nehmen Sie solche Angebote wahr, wenn sie kommen. Sie können enorm hilfreich sein, z.B. um ein Verständnis für das Verhalten Ihres Kindes zu entwickeln („Warum reagiert er immer so panisch beim Duschen? Was könnte dahinterstecken?“) und wie Sie als Eltern konstruktiv damit umgehen können. Im Endeffekt verbringen Sie die meiste Zeit mit Ihrem Kind und sind seine wichtigsten Bezugspersonen – wenn Sie gut informiert und gestärkt sind, profitiert auch die Therapie indirekt davon.
Zusammengefasst: Eltern sind Partner im Therapieprozess. Ohne Ihre Unterstützung bleiben viele Erfolge nur in der Therapiestunde begrenzt. Mit Ihrer Hilfe kann das Gelernte sich in den Alltag übertragen. Und nicht zuletzt sind Sie auch Advokat Ihres Kindes – Sie kennen es am besten und können der Therapeutin helfen, es richtig zu verstehen. Diese Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist ein Grundpfeiler der Ergotherapie bei Kindern.

Was können Eltern im Alltag ergänzend tun?
Neben der eigentlichen Therapie gibt es vieles, was Sie zu Hause tun können, um die Entwicklung Ihres autistischen Kindes zu fördern und das, was in der Ergotherapie angelegt wird, zu verstärken. Hier einige praktische Tipps:
- Feste Strukturen und Rituale schaffen: Ein strukturierter Tagesablauf hilft autistischen Kindern ungemein. Versuchen Sie, bestimmte Routinen einzuhalten (z.B. immer gleiche Reihenfolge beim Abendritual: erst Abendessen, dann Baden, dann Geschichte lesen). Nutzen Sie visuelle Hilfen: Ein Tagesplan an der Wand mit Bildern für „Kindergarten“, „zu Hause spielen“, „Abendessen“, „Schlafenszeit“ kann Wunder wirken. Ihr Kind versteht so besser, was als nächstes kommt. Vielleicht basteln Sie gemeinsam mit Hilfe der Ergotherapeutin solche Bildkarten. Auch ein Wochenplan (Montag: Ergo, Dienstag: Oma kommt, etc.) kann für ältere Kinder gut sein. Diese Struktur reduziert Stress und Überforderung, weil Überraschungen minimiert werden.
- Übung im Alltag einbauen: Sie müssen nicht extra „Therapie-Stunden“ zu Hause abhalten, aber Sie können Lerngelegenheiten im Alltag erkennen und nutzen. Z.B. Feinmotorik: Lassen Sie Ihr Kind beim Kochen helfen, vielleicht rührt es mit dem Löffel (kräftigt Hände) oder streut Käse über den Auflauf (Pinzettengriff). Sensorik: Spielen Sie im Sandkasten, matschen Sie mit Wasser und Matsch im Garten, backen Sie einen Teig (fühlen von Texturen) – all das sind sinnliche Erfahrungen. Sozial: Verabreden Sie sich mal mit einer vertrauten befreundeten Familie, damit Ihr Kind lernt, in kleinem Rahmen mit anderen Kindern zu spielen (auch wenn es anfangs mehr nebeneinander als miteinander spielt). Selbstständigkeit: Geben Sie kleine Aufgaben, z.B. jeder räumt seinen Teller vom Tisch ab oder Ihr Kind darf beim Wäsche Aufhängen die Socken sortieren. Wichtig ist, diese Dinge spielerisch und ohne Druck zu tun. Loben Sie Ihr Kind, wenn es etwas Neues probiert oder einen Fortschritt zeigt, egal wie klein.
- Kommunikation unterstützen: Wenn Ihr Kind nicht gut spricht, nutzen Sie auch zu Hause das, was in der Therapie hilft – z.B. Piktogramme oder Gebärden. Konsistenz ist hier wichtig: Wenn in der Therapie für „Pause“ ein bestimmtes Zeichen eingeführt wurde, verwenden Sie das auch zu Hause, damit das Kind es generalisiert. Sprechen Sie ruhig, klar und in einfachen Sätzen mit Ihrem Kind. Geben Sie ihm Zeit zu reagieren. Vermeiden Sie Überforderungen wie zu viele Fragen auf einmal. Gleichzeitig: Erzählen Sie dem Kind, was Sie tun (auch wenn es vielleicht nicht zu reagieren scheint). Viele autistische Kinder nehmen mehr auf, als sie zeigen. Wenn Sie z.B. beim Einkaufen beschreiben „Wir brauchen 3 Äpfel, kannst du mir helfen, die in den Beutel zu tun? Eins… zwei… drei… prima!“, lernt Ihr Kind Zahlen, Begriffe und Abläufe quasi nebenbei in einer echten Situation.
- Sensorische Bedürfnisse ernst nehmen: Sie kennen Ihr Kind – vielleicht haben Sie schon herausgefunden, was es beruhigt oder was es sucht. Manche Kinder lieben es, zu kuscheln und fest gedrückt zu werden – dann bauen Sie feste Kuschelzeiten ein, vielleicht nach dem Kindergarten, um den Tag zu verarbeiten. Andere Kinder brauchen viel Bewegung – sorgen Sie täglich für Möglichkeit zum Austoben: Spielplatz, Trampolin im Garten oder auch ein wildes Kissenschlacht-Spiel im Wohnzimmer. Wenn Ihr Kind sich gern zurückzieht, richten Sie ihm ein Schutz-Eckchen ein: z.B. ein kleines Zelt oder eine Kuschelhöhle mit Lieblingsstoffen, wo es ungestört Ruhe haben darf, wenn es möchte. Das kann helfen, meltdowns vorzubeugen. Bei Kindern mit großen sensorischen Problemen kann auch spezielles Equipment sinnvoll sein, wofür Ihnen die Ergotherapeutin Tipps geben kann – z.B. ein Sitzkissen für besseren Halt am Tisch, eine gewichtete Decke fürs Schlafen, geräuschdämmende Kopfhörer für Ausflüge usw. Diese Dinge müssen aber individuell passen, da jedes Kind anders reagiert.
- Spiel und Spaß nicht vergessen: So sehr Förderung wichtig ist, Ihr Kind ist vor allem eins: ein Kind. Es braucht Zeit zum Spielen und glücklich sein, ganz ohne „Therapie-Auftrag“. Achten Sie darauf, dass das Leben nicht nur aus Terminen und Üben besteht. Lassen Sie Ihrem Kind Freiraum für seine Lieblingstätigkeiten, seien es spezielle Interessen oder einfach das immer gleiche Spiel. Diese geben ihm Sicherheit und Freude. Wenn Sie sich in seine Welt begeben können: prima! Viele autistische Kinder genießen es, wenn ihre Eltern mal versuchen, mit ihnen in der Art zu spielen, die sie lieben (auch wenn das vielleicht für Sie etwas monoton wirkt, wie immer nur Autos anordnen). Durch solche gemeinsamen Momente stärken Sie die Bindung, was wiederum dem Kind hilft, insgesamt ausgeglichener zu sein und damit aufnahmefähiger für alle anderen Lernschritte.
- Netzwerke und Wissen nutzen: Es kann unglaublich entlastend sein, sich mit anderen Eltern in ähnlicher Lage auszutauschen. Vielleicht gibt es in Ihrer Gegend eine Elterngruppe für Autismus oder online Foren/Communities, wo Sie Tipps und einfach Verständnis bekommen. Auch Literatur oder Ratgeber über Autismus können helfen, das Verhalten Ihres Kindes besser einzuordnen. Aber passen Sie auf, sich nicht von Informationen erschlagen zu lassen – nicht alles wird auf Ihr Kind zutreffen. Ihre Ergotherapeutin kann Ihnen sicher auch gute Quellen empfehlen, die zu Ihrer Situation passen.
- Geduld mit sich selbst: Eltern von autistischen Kindern leisten jeden Tag viel. Manchmal werden Sie müde und frustriert sein, wenn etwas trotz aller Mühe nicht klappt. Versuchen Sie, sich selbst nicht zu hart zu beurteilen. Niemand ist perfekt, und es gibt nicht die eine richtige Methode. Was heute nicht funktioniert, kann in ein paar Wochen plötzlich gelingen – Kinder entwickeln sich sprunghaft. Holen Sie sich auch Unterstützung im Alltag, sei es vom Partner, den Großeltern oder Freunden, um mal durchzuschnaufen. Ein entspannteres Elternteil kann viel besser auf sein spezielles Kind eingehen als ein völlig erschöpftes. Also scheuen Sie sich nicht, auch mal Auszeiten zu nehmen und Hilfe anzunehmen, wenn sie angeboten wird.
All diese Alltagstipps werden die Ergotherapie nicht ersetzen, aber sie sind wie ein Dünger für die jungen Pflänzchen, die in der Therapie sprießen. Ihr Kind wird am meisten profitieren, wenn es die gleichen liebevollen Leitplanken und Lernchancen überall findet – in der Therapiestunde, zu Hause, im Kindergarten. So entsteht ein konsistentes Umfeld, in dem es gedeihen kann.
Wie zeigen sich Fortschritte und was sind realistische Erwartungen?
Als Eltern wünscht man sich natürlich, möglichst schnell klare Fortschritte zu sehen. Bei autistischen Kindern – und gerade bei den komplexen Zielen der Ergotherapie – ist allerdings Geduld gefragt. Fortschritte kommen oft in kleinen Schritten und manchmal in unvorhergesehenen Momenten.
Woran merkt man den Erfolg? Sie könnten zum Beispiel folgende positive Veränderungen beobachten:
- Ihr Kind meistert plötzlich eine Tätigkeit, die vorher unmöglich schien. Vielleicht zieht es sich auf einmal die Schuhe alleine an – an einem Tag einfach so, nachdem Sie das wochenlang geübt hatten. Oder es isst mit dem Löffel seine Suppe, ohne Hilfe, während es vor einem Monat noch gefüttert werden musste.
- Ihr Kind wirkt insgesamt ausgeglichener. Die täglichen Wutanfälle sind seltener geworden, oder es schläft abends schneller ein. Vielleicht bemerken Sie, dass Übergänge (vom Spiel zum Essen, vom Zuhause in den Kindergarten gehen) weniger Tränen oder Protestrufen auslösen. Das sind Hinweise, dass Ihr Kind besser mit den Anforderungen umgehen kann – dank der Strategien, die es lernt.
- Das Feedback von anderen wird anders. Plötzlich sagt die Erzieherin: „Heute hat er zum ersten Mal am Stuhlkreis teilgenommen und sogar ein Lied mitgemacht!“ oder eine Oma bemerkt: „Sie hat mich direkt angeschaut, als ich reinkam, das hat sie früher nie getan.“ Oft fallen Außenstehenden kleine Fortschritte eher auf, weil sie das Kind nicht täglich sehen.
- Ihr eigenes Stressgefühl ändert sich: Sie merken, dass bestimmte Alltagssituationen nicht mehr so viel Nerven kosten. Vielleicht geht die Morgenroutine inzwischen in 30 Minuten statt in einer Stunde, oder Sie trauen sich mit Ihrem Kind auf den Spielplatz, weil es nicht mehr jedes Mal komplett außer sich gerät. Das sind ebenfalls Indikatoren, dass sich im Hintergrund Fähigkeiten verbessert haben.
- Dokumentierte Fortschritte in der Therapie: Die Ergotherapeutin wird alle paar Monate mit Ihnen die Fortschritte durchsprechen. Sie zeigt vielleicht im Bericht: Feinmotorik-Test jetzt bestanden, vorher nicht; oder Konzentration von 5 auf 10 Minuten gesteigert. Diese formaleren Indizien sind auch hilfreich, um objektiv festzustellen, dass etwas vorangeht.
Realistische Erwartungen: Es ist wichtig zu wissen, dass Autismus nicht „wegtherapiert“ werden kann – und das soll auch gar nicht das Ziel sein. Ihr Kind wird immer Besonderheiten haben, und das ist okay. Die Therapie zielt darauf ab, es besser zurechtkommen zu lassen, nicht darauf, es in ein völlig anderes Kind zu verwandeln. Erwarten Sie also keine Wunder über Nacht. Einige Dinge können sich relativ schnell verbessern (z.B. motorische Fertigkeiten, wenn fleißig geübt wird), andere brauchen viel Zeit (z.B. soziale Fähigkeiten oder Kommunikationsfähigkeiten). Manchmal gibt es Plateaus: Wochenlang scheint nichts Neues zu passieren. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Entwicklung verläuft in Schüben; oft passiert innerlich viel, bevor man äußerlich etwas merkt.
Setzen Sie Ihre Erwartungen individuell an Ihr Kind: Wenn Ihr Kind z.B. mit 5 Jahren noch gar nicht spricht, wird es vielleicht durch die Ergotherapie nicht plötzlich in ganzen Sätzen reden – aber es könnte lernen, andere Formen der Kommunikation effektiver zu nutzen. Ein Kind mit leichten Autismus-Symptomen wird womöglich in einigen Jahren fast selbstständig wirken, während ein Kind mit schwerer Ausprägung lebenslang auf Unterstützung angewiesen bleibt – beide können aber bedeutende Fortschritte gemacht haben relativ zu ihrem Ausgangspunkt.
Es hilft, den Fokus auf Funktionen und Lebensqualität zu richten: Wird das Leben Ihres Kindes und Ihrer Familie durch die Ergotherapie im Laufe der Zeit einfacher, reibungsloser? Das kann z.B. heißen: Ihr Kind kann jetzt mit zur Familienfeier gehen und muss nicht nach 5 Minuten wieder heim, weil es eine Strategie hat (Kopfhörer + Kuscheltier in der ruhigen Ecke) um den Trubel zu ertragen. Das ist ein riesiger Gewinn, auch wenn Außenstehende es vielleicht kaum bemerken.
Messbare vs. spürbare Erfolge: Manche Fortschritte lassen sich messen (Größe der gemalten Kreise, Anzahl der gelernten Worte, etc.), andere sind eher im Verhalten spürbar. Wertschätzen Sie beides. Vielleicht führen Sie ein kleines Tagebuch der positiven Veränderungen – oft vergisst man nämlich, wie schlimm etwas war, wenn es besser geworden ist. Wenn Sie z.B. notieren: „Januar – Kind isst nur 2 Dinge (Toast und Joghurt). Juli – Kind isst 5 unterschiedliche Dinge, probiert auch mal Obst.“ Solche Notizen zeigen: doch, es hat sich was getan!
Auf und Ab: Seien Sie auch darauf gefasst, dass es Rückschritte geben kann. Autistische Kinder reagieren sensibel auf Veränderungen. Wenn z.B. ein Umzug ansteht oder ein Wachstumsschub, kann es sein, dass das Kind zeitweise Fertigkeiten verlernt oder sich alte Probleme verstärken. Das ist frustrierend, aber normal. Die Therapie bietet dann Halt – oft kann man solche Rückschritte schnell wieder aufholen, wenn man dranbleibt. Realistisch ist auch: Nicht jeden Tag geht es bergauf. Es wird „gute“ und „schlechte“ Tage geben. An schlechten Tagen klappt kaum etwas, an guten staunen Sie, was Ihr Kind alles kann. Versuchen Sie, das große Bild zu sehen: Solange über Monate oder Jahre gesehen ein Aufwärtstrend da ist, sind Sie auf dem richtigen Weg.
Endziel: Vielleicht fragen Sie sich, wie weit die Ergotherapie Ihr Kind bringen kann. Das Endziel ist, dass Ihr Kind nach Abschluss der Therapie möglichst selbstständig im Alltag klarkommt und weniger spezifische Hilfsangebote in Anspruch nehmen muss. Bei manchen Kindern heißt das, sie können am normalen Schulalltag teilnehmen, sich größtenteils selbst versorgen und haben vielleicht sogar ein oder zwei Freunde gefunden. Bei anderen heißt es, sie können zumindest einfache Arbeiten unter Anleitung erledigen, mit Betreuern kooperieren und haben Wege gefunden, ihre Bedürfnisse auszudrücken, so dass weniger Krisen auftreten. Messen Sie den Erfolg daran, ob Ihr Kind glücklicher und fähiger geworden ist, sein Leben zu leben – im Rahmen seiner Möglichkeiten. Das ist realistisch und das ist viel wert.

Welche Herausforderungen können auftreten und wie geht man damit um?
Der Weg ist nicht immer einfach. Hier sind einige häufige Herausforderungen, auf die Eltern stoßen, und Ratschläge, wie man sie bewältigen kann:
- Therapieanfang: Kind will nicht hin: Es kommt vor, dass Kinder sich zunächst sträuben, in die „neue Situation“ Ergotherapie zu gehen. Vielleicht weint Ihr Kind beim Hineingehen in die Praxis oder will partout nicht mit in den Raum. Das ist verständlich – Veränderung und neue Menschen sind für viele Autist*innen schwer. Lösung: Geben Sie ihm Zeit. Bleiben Sie am Anfang immer dabei, bis es Vertrauen fasst. Vielleicht hilft es, ein Lieblingsspielzeug mitzubringen, das als Übergangsobjekt Sicherheit gibt. Sprechen Sie mit der Therapeutin – sie hat sicher Erfahrung mit Eingewöhnung. Manchmal hilft es, das Kind mit einem kleinen Anreiz zu motivieren (z.B. nach der Stunde gibt es einen besonderen Aufkleber oder zu Hause ein Lieblingsspiel). Und wichtig: immer wieder erklären, wohin es geht und warum („Wir gehen zur Sandra spielen, sie hilft dir, dass die Ohren nicht mehr wehtun bei Lärm.“). Wenn das Kind Sprache versteht, bereiten vielleicht auch Bücher auf den Termin vor (es gibt Kinderbücher über Therapie oder Arztbesuche, die man adaptieren kann). In den meisten Fällen legt sich die Abwehr, sobald das Kind die Erfahrung macht: „Hier passiert mir nichts Schlimmes, es macht sogar Spaß.“
- Wartezeiten und Bürokratie: Manchmal ist das Hindernis gar nicht das Kind, sondern das System. Je nach Region warten Sie eventuell Wochen oder Monate auf einen Therapieplatz. Das ist frustrierend, gerade wenn man akut Hilfe will. Hier gilt: Bleiben Sie dran, rufen Sie mehrere Praxen an, lassen Sie sich auf Wartelisten setzen. Nutzen Sie die Zwischenzeit für Alternativen: Vielleicht gibt es Eltern-Kind-Gruppen für Förderbedarf, oder Ihr Frühförderzentrum kann bis dahin überbrücken. Auch selbst im Alltag schon Dinge ausprobieren (mit Vorsicht und ohne Druck) kann die Wartezeit erleichtern. Was die Bürokratie angeht: Rezepte laufen nach einer bestimmten Sitzungszahl ab, dann muss der Arzt ein neues ausstellen. Achten Sie darauf, dass da keine Lücken entstehen (z.B. rechtzeitig Termin beim Arzt zur Rezeptverlängerung machen). Manchmal zicken Krankenkassen, falls sie Gutachten wollen – in der Regel bei Kindern aber selten. Wenn doch, ziehen Sie Ihren Kinderarzt zu Rate; der kann begründen, warum die Therapie notwendig ist.
- Kaum messbare Fortschritte: Es kann Phasen geben, da hat man als Eltern das Gefühl, es geht überhaupt nicht voran. Das Kind macht immer noch die gleichen Wutanfälle, die Schleife klappt nach 6 Monaten Üben immer noch nicht… Hier hilft es, mit der Therapeutin offen darüber zu reden. Manchmal muss man die Ziele nachjustieren – vielleicht war etwas zu ambitioniert und man teilt es in kleinere Schritte. Oder die Methode passt nicht zum Kind und man probiert was Neues. Wichtig: Geduldig bleiben und auch kleine Veränderungen erkennen (hier kann das erwähnte Notieren von positiven Momenten helfen). Wenn wirklich über sehr lange Zeit keinerlei Fortschritt sichtbar ist, darf man natürlich fragen: Ist Ergotherapie noch das Richtige? Muss man etwas am Ansatz ändern? Es gibt Fälle, in denen vielleicht eine intensivere Autismustherapie oder ein spezielles Programm zusätzlich sinnvoll ist. Ergotherapie ist sehr hilfreich, aber eben ein Teil des Ganzen. In so einem Fall lassen Sie sich von allen beteiligten Fachleuten beraten und entscheiden gemeinsam, wie es weitergeht.
- Kind verhält sich in Therapie anders als daheim: Manche Eltern sind überrascht: „Zu Hause macht er das nie, was er hier zeigt!“ – Das kann positiv oder negativ gemeint sein. Vielleicht kann Ihr Kind in der Praxis plötzlich Dinge, die es zu Hause verweigert (z.B. es malt dort, aber daheim rührt es keinen Stift an). Oder umgekehrt, es zeigt vielleicht in der Praxis gar nicht ein Verhalten, das Sie zu Hause verzweifeln lässt (z.B. Wutanfälle). Das liegt daran, dass Kontext bei Autisten viel ausmacht. Die Ergotherapeutin ist eine Fachperson und entlockt dem Kind mit ihren Tricks manchmal Fähigkeiten, die es bei Mama/Papa nicht zeigen mag (denn Mama/Papa lieben einen auch ohne Leistung, da kann man sich gehen lassen). Das ist normal. Reden Sie mit der Therapeutin, wie man Transfer schaffen kann. Z.B. wenn das Kind nur in der Therapie malt, vielleicht kann die Therapeutin Ihnen genau die Stifte/Papiere mitgeben oder empfehlen, die Ihr Kind dort benutzt, und Sie richten zu Hause einen ähnlichen Maltisch ein. Oder sie malt mal zusammen mit Ihnen und dem Kind, damit das Kind sieht, Malen gibt es auch mit Mama. Und wenn das Kind in der Praxis lammfromm ist, zu Hause aber ausrastet, kann das heißen, dass es sich in der Stunde extrem zusammennimmt und dann daheim Dampf ablässt. Auch das kann man ansprechen, dann kann z.B. die Therapeutin am Ende der Stunde eine kontrollierte „Dampfablass“-Aktivität machen oder das Kind ermutigen, auch in der Stunde mal „nein“ zu sagen oder Frust zu zeigen, damit es lernt, das gleichmäßiger zu verteilen.
- Therapiemüdigkeit: Gerade bei langjähriger Therapie kann es Phasen geben, in denen das Kind keine Lust mehr hat – und ehrlich gesagt auch Eltern mal erschöpft sind von den Terminen. Vielleicht sträubt sich Ihr Kind nach einem Jahr plötzlich wieder, hinzugehen, oder macht in den Stunden nicht mehr gut mit. Hier heißt es, miteinander zu überlegen: Braucht das Kind eine Pause? Es ist keine Schande, auch mal ein paar Wochen auszusetzen (in Ferien z.B.), solange man es geplant macht. Vielleicht reicht schon ein neuer Ansatz: Die Therapeutin könnte die Stunden umgestalten, neue Spiele einführen oder einen anderen Wochentag/andere Uhrzeit wählen, falls das Kind zu der alten Zeit immer müde war. Auch Belohnungssysteme können zeitweise motivieren, wenn das Kind es versteht („Nach 5 Therapiesitzungen bekommst du…“ – hier aber vorsichtig, nicht als Druck). Eltern sollten auf ihre eigene Belastung achten: Falls Sie mehrfach die Woche zu verschiedenen Therapien fahren (viele autistische Kinder haben ja ggf. zusätzlich Logopädie, Frühförderung etc.), prüfen Sie, ob das Pensum für Sie und das Kind machbar ist. Lieber ein, zwei Sachen gut und kontinuierlich, als alles auf einmal und alle sind gestresst. Also falls nötig, strecken Sie Termine, reduzieren Sie im Zweifel auf das Wichtigste, oder organisieren Sie Hilfe beim Fahren (vielleicht kann mal der andere Elternteil oder jemand aus der Familie einspringen).
- Geschwister und Familie: Eine Herausforderung kann sein, wie man die Therapie und die speziellen Bedürfnisse mit dem Rest der Familie in Einklang bringt. Geschwister können sich vernachlässigt fühlen, wenn viel Aufmerksamkeit auf das autistische Kind geht. Versuchen Sie, auch für Geschwister Quality Time einzuplanen und sie altersgerecht mit einzubeziehen. Vielleicht dürfen sie mal mit in die Praxis kommen und zuschauen, was der Bruder/die Schwester macht – viele finden das spannend, sofern es das autistische Kind nicht stört. Oder die Therapeutin zeigt den Geschwistern, wie sie zu Hause mithelfen können (z.B. ein bestimmtes Spiel gemeinsam spielen). Manchmal bieten Einrichtungen auch Geschwistergruppen an, wo diese Kinder sich austauschen können, das kann hilfreich sein. Und als Elternpaar sollten Sie sich ebenfalls gegenseitig unterstützen – sprechen Sie über Ihre Gefühle, Frustrationen und Erfolge. Es ist gut, das gemeinsam zu tragen.
Jede Herausforderung ist besser zu meistern, wenn man sich bewusst macht: Sie sind nicht allein. Sie haben die Therapeut*innen an Ihrer Seite, und es gibt viele Familien mit ähnlichen Erfahrungen. Probleme bedeuten nicht, dass jemand versagt hat – sie sind einfach Teil des Prozesses. Mit Flexibilität, Kommunikation und oft auch etwas Humor lassen sich die meisten Hürden überwinden. Und jeder, auch noch so kleine, Triumph auf diesem Weg wird umso süßer schmecken, weil Sie wissen, wie viel Arbeit dahinter steckt.
Fazit: Ergotherapie für Autisten
Die Ergotherapie kann für autistische Kinder im Vorschul- und Grundschulalter ein wertvoller Wegbegleiter sein. Sie setzt genau dort an, wo das alltägliche Leben schwierig ist, und hilft dem Kind, Fähigkeiten zu entwickeln, die ihm mehr Unabhängigkeit, Freude und Teilhabe ermöglichen. Als Eltern bekommen Sie durch die Therapie nicht nur Entlastung, sondern auch selbst viele Werkzeuge an die Hand, um Ihr besonderes Kind besser zu verstehen und zu fördern.
Denken Sie daran, dass jedes Kind in seinem eigenen Tempo Fortschritte macht. Vergleichen Sie Ihr Kind nicht mit anderen – feiern Sie die individuellen Erfolge, mögen sie noch so klein erscheinen. Jeder Schritt, den Ihr Kind selbst geht, jeder Moment, in dem es die Welt besser bewältigt, ist ein Grund, stolz zu sein – auf Ihr Kind und auf Sie selbst, die es auf diesem Weg liebevoll begleiten.
Ergotherapie ist keine Wunderkur, aber sie kann Türen öffnen: Türen zu mehr Selbstständigkeit, zu neuen Fähigkeiten und zu einem harmonischeren Alltag. Mit Geduld, guter Zusammenarbeit zwischen Therapeutinnen und Eltern sowie viel Empathie kann aus anfänglicher Unsicherheit nach der Diagnose ein zuversichtlicher Blick nach vorn werden. Sie dürfen hoffnungsvoll sein: Ihr Kind hat Stärken und Potenziale, und mit der richtigen Unterstützung werden diese Schritt für Schritt zum Leuchten gebracht.
Abschließend möchten wir Ihnen Mut machen, die nächsten Schritte anzugehen. Scheuen Sie sich nicht, Hilfe zu holen – ob beim Kinderarzt wegen einer Verordnung, bei Beratungsstellen für Autismus oder im Gespräch mit anderen Eltern. Je informierter und eingebundener Sie sind, desto sicherer fühlen Sie sich. Und diese Sicherheit überträgt sich auf Ihr Kind. Gemeinsam mit Fachleuten, und vor allem mit Ihrer elterlichen Liebe und Ausdauer, kann Ihr autistisches Kind in der Ergotherapie wichtige Fortschritte machen. So wird der Weg in die Zukunft Stück für Stück ebener – für ein Leben, in dem Ihr Kind seinen Platz findet und glücklich sein darf, genauso wie es ist.